Etwa 29 Prozent der Menschen in München besitzen weder das aktive noch das passive Wahlrecht. Diese Menschen leben teilweise bereits viele Jahre in der Stadt, zahlen Steuern, arbeiten und erziehen ihre Kinder – die Mitgestaltung, was mit diesen Steuergeldern geschieht oder was politische Rahmenbedingungen für ihr Handeln sind, bleibt ihnen aber verwehrt. Am 15. März findet bayernweit und somit auch in München die Kommunalwahl statt. Das Bündnis „Solidarity City“ München setzt sich dafür ein, dass auch für Mitbürger*innen dieser Stadt ohne deutsche Staatsangehörigkeit eine Vertretung ihrer Interessen gewährleistet wird. Im Zuge dessen findet am Donnerstag, den 5. März, eine öffentliche Aktion zu den Positionen der wählbaren Parteien am Münchner Marienplatz statt.
Im Vorfeld der Kommunalwahl hat das Bündnis den Parteien einen Fragenkatalog zukommen lassen, um den Forderungen im Rahmen von Wahlprüfsteinen Nachdruck zu verleihen. Dabei ging es in erster Linie darum, die Meinungen der Kandidat*innen über Themen, die für eine Schaffung von sozialer, kultureller, gesellschaftlicher und letztlich politischer Teilhabe wichtig sind. Anhand der Antworten werden wir in einem zweiten Schritt das politische Agieren der einzelnen Parteien im Rahmen des Fragenkatalogs prüfen.
Der Fragenkatalog spiegelt die wichtigsten politischen Forderungen des Bündnis „Solidarity City“ wider, darunter sind:
* die Urban Citizenship in Form einer City ID,
* ein Aufnahmeprogramm für unbegleitete Minderjährige,
* die Schließung der Abschiebeanstalt am Münchner Flughafen,
* die Umsetzung des Kölner Modells für langjährig geduldete Geflüchtete,
* die Aufhebung von prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen,
* das Recht auf Gesundheit für alle*,
* das Recht auf Mobilität für alle*,
* die Schaffung und Erhaltung konsumfreier Räume
Die Solidarity City Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, auf kommunaler Ebene zu agieren: Das Ziel ist „eine Stadt, aus der kein Mensch abgeschoben wird, in der sich alle frei und ohne Angst bewegen können, in der kein Mensch nach einer Aufenthaltserlaubnis gefragt wird, in der kein Mensch illegal ist. Das sind die grundlegenden Vorstellungen von einer Solidarity City. In einer solchen Stadt der Solidarität sollen alle Menschen das Recht haben zu leben, zu wohnen und zu arbeiten. Alle Menschen soll der Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung gewährt werden. Alle Menschen sollen teilhaben und das Stadtleben mitgestalten können – unabhängig von Aufenthaltsstatus, finanziellen Möglichkeiten, Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität, Religion,…“
Die Strukturen einer Solidarity City werden durch die Vernetzung bereits bestehener Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich engagieren, gebildet und schaffen durch die Vernetzung neue Räume und Möglichkeiten. Durch Kampagnenarbeit und Verhandlungen mit kommunaler Politik und Verwaltung sollen neue Räume und Möglichkeiten geschaffen werden – um schließlich tatsächlich eine Stadt für Alle zu werden.
Das Modell kommt aus Toronto und wird dort seit mehr als 10 Jahren von einem Bündnis unterschiedlicher Initiativen durchgesetzt. Der City Council hat Toronto im Jahre 2013 zur Sanctuary City erklärt. Sanctuary Cities bestehen in den USA und Kanada schon seit den 1980er Jahren. Sie definieren sich dadurch, dass die Stadtregierung die Polizei unterweist, keinen Menschen in Bezug auf den Aufenthaltsstatus zu kontrollieren.
Dadurch entsteht ein faktisches Bleiberecht in der Stadt. Das ist auch Basis der Forderung nach einer Solidarity City und Voraussetzung dafür, solidarische Orte und Strukturen einer „Stadt für Alle“ zu entwickeln – für ein Miteinander, bei dem Menschen unabhängig von Status und finanziellen Kapazitäten wohnen, arbeiten und leben können.