Europäisches Design trifft auf malawische Stoffe
Khala hat viele Bedeutungen auf Chichewa, der malawischen Nationalsprache; es heißt: sein, sich hinsetzen und einfach mal entspannen. Khala ist dabei vor allem ein Lebensgefühl. Khala, so heißt auch das Start-Up von Melanie Rödel aus München. Sie kombiniert europäische Designs mit malawischen Stoffen und hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit der Produktion vor Ort die Situation in Malawi zu verbessern.
Gründerin eines Modellabels zu werden – das war nicht das erste, was Melanie nach ihrem Psychologie- und Wirtschaftsstudium im Sinn hatte. Doch für sie war von Anfang an klar, dass sie etwas verändern will, und zwar nicht als Therapeutin, sondern in der Wirtschaft. Von innen heraus. Schon während ihres Studiums arbeitete Melanie ehrenamtlich als Mitgründerin des ersten Viva con Agua-Vereins in Österreich. Ihr Engagement brachte sie im Herbst 2015 für ein Trinkwasser- und Sanitäranlagenprojekt nach Malawi. Die Zeit dort hat Melanie sehr geprägt – die Menschen, die Lebensfreude, aber natürlich auch die Armut, die fehlenden, industriellen Strukturen und die geringe Aussicht auf Verbesserung. „Für mich war es keine Option, wieder nach Hause zu fliegen und das Thema abzuhaken“, sagt Melanie.
In Malawi besuchte sie auch einen der landestypischen Märkte, wo es viele farbenfrohe Textilien zu kaufen gibt. Diese traditionellen, afrikanischen Stoffe, Chitenjes genannt, begeisterten Melanie sofort. Da es sie in Europa nicht zu kaufen gibt, nahm sie gleich eine Auswahl mit. Zurück in Deutschland brachten diese ungewöhnlichen Muster und Farben sie auf die Idee, die malawischen Stoffe mit europäischen Schnitten zu kombinieren und auf den Markt zu bringen. Ihre Mode sollte nicht nur stylisch und fair, sondern auch bezahlbar sein, denn sie will mit ihrem Konzept nicht nur die klassische Nische der teuren Öko-Mode, sondern eine breite Zielgruppe erreichen. Für die Mitarbeiter in Malawi wiederum bedeutet Khala konkret: das Dreifache von dem durchschnittlichen Gehalt, eine Krankenversicherung und geregelte Arbeitszeiten. Dafür wird es auch höchste Zeit, denn in den vergangenen Jahren wurde Malawi mit Billigtextilien aus Ländern wie China oder Indien überschwemmt. Aus diesem Grund gibt es dort auch nur noch eine Fabrik, die die Textilien für Khala tatsächlich vor Ort herstellen kann.
Das Khala-Kollektiv
Die Idee war da – aber alleine und ohne Kapital wäre es für Melanie schwierig gewesen, ein Start-Up wie Khala zu gründen. Deshalb nutzte sie ihr Netzwerk, fragte Freunde und Bekannte und fand so für viele Bereiche ehrenamtliche und motivierte Unterstützer. „Eigentlich sind wir mittlerweile ein richtiges Kollektiv“, erklärt sie mit einem Lächeln. Zum Kollektiv gehören unter anderem Hubert Mirlach, der sich um die audio-visuellen Medien kümmert, und Benedikt Habermann als Mann für die PR, der mittlerweile CO-Founder von Khala ist. „Zuerst wollte ich nicht CEO werden und habe sogar überlegt auszusteigen. Aber als nach der ersten Kickstarter-Kampagne die Produktion anlief und es dabei Probleme gab, bin ich mit Mel nach Malawi geflogen und war dann mitten drin“, sagt Benedikt.
Denn nach dem ersten Hoch nach der erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne, gab es viele Probleme. Der Stofflieferant machte Schwierigkeiten und die Zusammenarbeit mit der malawischen Designerin musste beendet werden – somit fehlte Khala zu Beginn der Produktion ein Atelier. Kurzerhand beschlossen Melanie und Benedikt nach Malawi zu fliegen und die Sache selber in die Hand zu nehmen. Mit welchen Problemen sie vor Ort kämpfen mussten und wie unterschiedlich die Kulturen sind, lernte Benedikt nach kurzer Zeit und schrieb seine Erfahrungen in seiner Kolumne für relaio auf. „Die Werkstatt aus dem Nichts aufzubauen, hat das ganze Projekt für mich auf ein anderes Level gehoben. Die Idee und der Afrikabezug gehen von Mel aus – aber ich stehe total hinter dem Gedanken des nachhaltigen Konsums. Dafür schlägt mein Herz“, sagt Benedikt. Und so wurde aus aus Mel und Bene die Habermann & Rödel GbR – zu 49 Prozent gehört Khala Benedikt und zu 51 Prozent Mel.
Auf der Suche nach dem richtigen Stoff
Nach der ersten Produktion gab es in Malawi eine weitere große Herausforderung: die Textilfabrik in Malawi. Eigentlich wollte Khala möglichst alles in Malawi produzieren, um die lokale Wirtschaft zu fördern. Doch die Qualität der Stoffe aus der heimischen Fabrik war nicht optimal und bei der zweiten Bestellung hätten sie sehr große Stoffmengen abnehmen müssen. Zu viel für das kleine Start-Up. Daher sind sie wieder dazu übergegangen die Chitenje-Stoffe in kleinen Auflagen auf dem malawischen Markt zu kaufen – die dort aber nicht produziert werden. Für das Innenfutter der Jacken entdeckte Hubert nach längerer Recherche einen Vertrieb für Hanfwaren in Südafrika. Das Hanf-Öko-Baumwoll-Gemisch stellte sich als ökologischste Variante heraus, da Hanf viel weniger Wasser und Pestizide benötigt als Baumwolle. „Unser Ziel ist immer noch irgendwann selber in Malawi zu produzieren und dann die Stoffe auch aus Ökobaumwolle zu machen. Dafür brauchen wir aber eine bestimmte Abnahmemenge“, erklärt Benedikt.
2018 war für Khala das Jahr der Festivals. Um die Marke bekannter zu machen, waren Mel und Benedikt auf vielen Festivals mit ihrem Stand. Es war auch ein gutes Jahr für Khala, weil sie endlich kein Geld mehr von der Familie brauchten, sondern sogar anfangen konnten geliehenes zurückzuzahlen. „Mel und ich haben aber bisher noch keinen Cent an Khala verdient“, erzählt Benedikt. Er selbst hält sich mit zwei Nebenjobs über Wasser und Mel, die seit September 2018 in Malawi ist, weil der Manager des malawischen Betriebs (unter anderem) Khala’s Steuergelder veruntreute hat und sie nun noch bis Ende Februar 2019 vor Ort alles selbst regeln muss, verdient durch Unternehmensberatung via Sykpe etwas dazu.
Neues Jahr – neue Herausforderungen
Für 2019 hoffen Benedikt und Mel, dass sie erstmal einen neuen Manager oder eine neue Managerin in Malawi finden, der sie vertrauen können. „Dass uns unser Manager beklaut hat, konnte ich anfangs gar nicht glauben. Es hat auch lange gedauert, bis er es zugegeben hat“, erzählt Benedikt. Die verschiedenen kulturellen Dimensionen, was Offenheit und Direktheit angeht, sind bei den Deutschen und den Malawiern sehr unterschiedlich. Etwas, was die Arbeit oft schwieriger macht. In ihrem Atelier gibt es immer wieder Probleme mit der Zuverlässigkeit ihrer Mitarbeiter – trotz der guten Gehälter kommt es vor, dass jemand nicht mehr zur Arbeit erscheint. „Schneider ist ein typisch männlicher Beruf in Malawi. Wir wollen uns aber auch mal nach Schneiderinnen umschauen, weil wir glauben, dass da die Zuverlässigkeit etwas höher sein könnte“, meint Benedikt.
Neben den alltäglichen Herausforderungen in Malawi wird auch die Arbeit in Deutschland immer mehr. Denn durch die Schaltung von Werbung auf Facebook und die Arbeit auf den Festivals, sind auch die Anfragen mehr geworden. E-Mail müssen also beantwortet werden, Pakete verschickt, Bestellungen entgegengenommen und die Teilnahme an Festivals organisiert werden. „Es wäre toll, wenn ich dieses Jahr in meinen anderen Jobs zehn Stunden weniger machen könnte und dafür zehn Stunden Arbeit bei Khala bezahlt bekommen würde“, sagt Benedikt. Außerdem gibt es wahrscheinlich auch die Möglichkeit ihre Produkte in zwei Geschäften in der Schweiz zu verkaufen – eine große Entlastung. Es gibt auch einige Neuerungen im Sortiment, unter anderem Wendejacken, bei der die Käufer die Farben selber zusammenstellen können. Außerdem wird es neben den bekannten Produkten, wie Röcken und Shorts, in Zukunft auch Taschen und Jutebeutel geben. An Herausforderungen mangelt es dem Khala-Kollektiv definitiv nicht!
(c) Headerbild Christoph Barthold