Eine mobile Küche, die Begegnungen schafft und Geschichten über Grenzen hinweg trägt.
Als im Frühjahr 2015 mehr und mehr Geflüchtete nach Europa kamen, stellten sich Rabea Haß und Jule Schröder die Frage, wie sich Einheimische und Geflüchtete kennenlernen können. Wie sie sich auf Augenhöhe begegnen können, um gegenseitig Vorurteile abzubauen und einen Einblick in die jeweils andere Kultur zu bekommen. Mit ihrer Erfahrung, dass am Küchentisch Freundschaften entstehen, haben die beiden das Projekt Kitchen on the Run initiiert: Eine mobile Küche in einem Schiffscontainer, die durch Europa reist und Abend für Abend Geflüchtete und Beheimatete einlädt, Geschichten, Rezepte und gutes Essen miteinander zu teilen.
Kitchen on the Run bringt Geflüchtete und Beheimatete am Küchentisch zusammen, um Zeit miteinander zu verbringen, gemeinsam zu kochen, zu essen und abzuwaschen. Und dabei ganz nebenbei ins Gespräch und sich näher zu kommen. Insbesondere die geflüchteten Teilnehmenden erhalten die Möglichkeit, die Rolle des Gastgebers einzunehmen, ein Rezept mitzubringen und so ein Stück ihrer Kultur zu teilen. Damit werden die Neuankömmlinge mobilisiert und dazu ermutigt, sich mit ihren Fähigkeiten aktiv einzubringen.
Bau nach dem DesignBuild-Ansatz
Die Hans Sauer Stiftung unterstützte Kitchen on the Run finanziell beim Ausbau des Küchencontainers. Gemeinsam mit angehenden Architekten und Architektinnen der TU Berlin baute das Team unter Leitung von Prof. Donatella Fioretti einen Schiffscontainer in eine mobile, funktionale und einladende Küche um. In dem DesignBuild Projekt beschäftigten sich etwa 20 Studierende im Wintersemester 2015/16 mit dem Entwurf und dem Bau der mobilen Küche.
Begleitet wurde der Entwurfs- und Bauprozess, in den auch Geflüchtete einbezogen wurden, mit innovativen Workshops und Netzwerktreffen der Hans Sauer Stiftung. Dies ermöglichte den Studierenden immer wieder, ihre Rolle als Architekten bei der Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, insbesondere der Integration von Neuankömmlingen, zu reflektieren.
Im März 2016 startete der Küchencontainer dann seine erste Reise durch Europa, von Italien, über Frankreich, Deutschland, Niederlande bis nach Schweden – in jeder Stadt hielt der Container für vier Wochen.
Auch die schriftliche Dokumentation des Containerbaus wurde von der Stiftung gefördert, welche HIER zum Download zur Verfügung steht und man steht nach wie vor im regen Austausch, um die Erfahrungen einem Kreis an Interessierten und Nachahmern zugänglich zu machen.
So viel mehr als nur gemeinsames Kochen
Mit dem Ausbau des Schiffscontainers sensibilisierte Kitchen on the Run Studierende dafür, wie sie als zukünftige Architekten Gesellschaft mitgestalten können. Zugleich bauten die Studierenden das Herzstück des Projekts. Der Küchencontainer ist gleichzeitig ästhetisch und funktional, er passt sich jeden Abend seinen Gästen und ihren Bedürfnissen an. Sein Design und seine Atmosphäre strahlen Wertschätzung für seine Gäste aus.
Insgesamt begegneten sich während der ersten fünfmonatigen Reise durch fünf Länder über 2.400 Menschen aus etwa 70 Nationen bei 80 Kochveranstaltungen am Küchentisch. Damit ermöglichte Kitchen on the Run Begegnungen auf Augenhöhe, die auf beiden Seiten halfen, Vorurteile abzubauen. Zudem wurden an den Standorten Netzwerke aus engagierten Menschen hinterlassen und Initiativen, die sich nun gemeinsam lokal für eine aktive Nachbarschaft zwischen Menschen mit und ohne Fluchthintergrund einsetzen.
Um eine größere Zielgruppe zu erreichen, wurden die Erlebnisse und Erfahrungen multimedial dokumentiert, u.a. in einem Website und einem YouTube Kanal – es entstand ein eigener Dokumentarfilme, der die Idee von Beginn an begleitete, mit allen Höhen und Tiefen. Zudem schloss sich Kitchen on the Run dem Berliner Verein Über den Tellerrand kochen e.V. an.
2017 und 2018 reiste Kitchen on the Run mit einem neuen Team unter dem Motto „Next Stop Heimat“ durch deutsche Kleinstädte mit bis zu 50.000 Einwohnern, um noch mehr Freundschaften am Küchentisch zu ermöglichen. So wurden weitere 3.600 Menschen erreicht und an allen Orten wird weiterhin mit über den Tellerrand gekocht.
2019 soll der Container in Hof, Schmalkalden und Rendsburg für jeweils sieben Wochen an einem neutralen Ort, wie dem Marktplatz oder in der Nähe des Stadtzentrums stehen. An drei Abenden die Woche wird dann zusammen gekocht – an den Wochenenden können lokale Freiwillige und Initiativen den Container mit eigenen Ideen füllen. Dabei sollen auch hier aus der entstandenen Gemeinschaft die Kochabende auch ohne Kitchen on the run aber im Satellitennetzwerk von Über den Tellerrand kochen e.V. weitergeführt werden.
Außerdem gibt es mit dem cookin’roll nun ein weiteres Projekt: ein mobiler Anhänger zum gemeinsamen Kochen. Die Hans Sauer Stiftung steht immer noch im regen Kontakt mit dem Projekt und auch in Zukunft wird es weitere Kooperationen geben.
(c) Alle Bilder: Kitchen on the run