piqd möchte einen Gegenentwurf zur Reichweiten-optimierten Online-Berichterstattung liefern, indem ausgewiesene Experten Artikel empfehlen.
Bio statt Fast-Food. Handverlesen statt Massenware. Kritische Reflexion statt gedankenloser Konsum: Die Rede ist keineswegs von gesunder Ernährung. Es geht um Medien, um genau zu sein: um unseren Umgang mit Online-Berichterstattung. piqd statt Informationsflut. Von Experten empfohlen statt vom Algorithmus vorgesetzt.
Internet und Smartphone haben unseren Zugang zu Informationen radikal verändert. Früher dauerte es Tage oder Wochen, bis eine Nachricht um den Erdball wanderte und den Zeitungsleser am Frühstückstisch erreichte. Heute vergehen nur ein paar Augenblicke zwischen einem Ereignis und dem Aufpoppen der ersten Push-Message auf unserem Handy. Das Internet hat Menschen auf der ganzen Welt die Möglichkeit gegeben, sich zu jeder Zeit Informationen und Nachrichten zu einem beliebigen Thema zu besorgen und dadurch einen bestehenden Markt umgewälzt. Etablierte Medienkonzerne und neue Akteure liefern sich einen Wettlauf auf diesem Markt, in dem generierter Traffic und erzielte Reichweite die neue Währung geworden sind. Bestehende Konventionen des Journalismus wurden überworfen und Schlagwörter wie „Fake News“ oder „Lügenpresse“ prägen die Debatte um die Informationskultur.
Die Macher von piqd sehen im Umgang mit Informationen aus dem Web ein soziales Problem, zu deren Lösung sie beitragen möchten. Sie möchten den NutzerInnen Artikel präsentieren, die lesenswert sind. Eine Programmzeitung, die nicht auf Reichweite und Traffic ausgerichtet ist und danach ihre Inhalte kuratiert, sondern Journalismus mit relevanten Inhalten bietet. Ein Gegenvorschlag also zu den aktuellen Entwicklungen in der Online Berichterstattung, betont Geschäftsführer Marcus von Jordan: „Es gibt nicht die perfekte Vision davon, wie Informationsbeschaffung funktionieren sollte. Es gibt nur eine Annäherung, durch inspirierte journalistische Arbeit und durch Quellenvielfalt.“
Marcus von Jordan zieht den Vergleich mit Bio-Lebensmitteln: „Du bist, was du isst, genauso wie du bist, was du liest.“ Dafür werden Artikel aus der Masse heraus handverlesen, oder eben „gepiqd“. Die Aufgabe des „Rosinenpickens“ übernehmen Experten. piqd greift dafür auf einen Pool von mittlerweile über 130 KuratorInnen, genannt „piqer“, zurück. Diese Experten wählen in ihren Augen relevante Online-Artikel aus, kommentieren diese in einer kurzen Zusammenfassung und ordnen sie einem bestimmten Kanal zu. Diese decken Themen von „Volk und Wirtschaft“ bis hin zu „Kopf und Körper“ ab. KuratorInnen und Kanäle werden von der piqd-Redaktion bestimmt, aber in ihrer Arbeit sind die piqer unabhängig. Bezahlt werden sie pro piq, mit einer monatlichen Obergrenze. Einige machen auch unentgeltlich mehr oder verzichten komplett auf eine Bezahlung – aus Überzeugung. Gemeinsam ist allen, dass sie der piqd-Redaktion gegenüber Sachverstand und einen breit gefächerten digitalen Medienkonsum vorweisen müssen, bevor sie für piqd empfehlen dürfen.
Gegründet wurde piqd von Konrad Schwingenstein und Marcus von Jordan. Die Verbindung zum Journalismus liegt bei Konrad Schwingenstein sozusagen in der Familie – er ist Enkel des Mitgründers der Süddeutschen Zeitung August Schwingenstein und Teilerbe des Unternehmens. 2010 kehrte er aber den bestehenden Strukturen der Medienwelt den Rücken und verkaufte zusammen mit anderen Erben seine Anteile. Seitdem fördert er Projekte, von denen er hofft, dass sie dabei helfen, neue Strukturen für den Journalismus mitzugestalten. Im Moment wird der Großteil der Kosten von piqd noch von ihm getragen. Diese Finanzierung erlaubt es piqd, sich für eine gewisse Zeit der Dynamik um Traffic und Reichweite zu entziehen. In Fachkreisen und der Szene haben sie deswegen bereits mit Qualität überzeugt. Aber damit sich der journalistische Gegenentwurf etablieren und selbst tragen kann, muss er natürlich auch eine gewisse Zahl an Lesern erreichen, die bereit sind, für Qualität angemessen zu zahlen. Und dies stellt das Team um Marcus von Jordan vor eine große Herausforderung. Anfangs war die Idee, dass die NutzerInnen nach einer kostenlosen Testphase dazu angehalten werden, jeden Monat einen kleinen Betrag für den Service des „piqens“ zu entrichten. Doch es haben sich nicht genügend zahlende Kunden gefunden, damit das Projekt schwarze Zahlen schreiben kann. Damit steht piqd vor demselben Problem wie viele andere Redaktionen: Es scheint bereits gängiger Konsens zu sein, dass Journalismus im Internet kostenlos zu sein hat.
Die Macher von piqd haben sich daher entschieden, erst einmal einen anderen Weg zu gehen und zu versuchen, mehr Nutzer zu erreichen. Dies gleicht einer Gratwanderung: Auf der einen Seite möchte man sich nicht der Dynamik um Klicks und Traffic unterwerfen, auf der anderen Seite muss man eine gewisse Reichweite haben, um sich als Alternative etablieren zu können. Darum hat das Team einige „Qualitätspartner“ mit ins Boot geholt, die ebenfalls journalistische Gegenentwürfe liefern und ihre eigenen Inhalte empfehlen – und so piqd einem Teil ihrer Leserschaft näherbringen. Zu diesen Partnern zählen unter anderem Perspective Daily, The Buzzard, Übermedien und Zündfunk. Und auch die User haben jetzt die Möglichkeit, Empfehlungen abzugeben und zu bewerten. Piqd wird also interaktiver und entwickelt sich in Richtung eines sozialen Netzwerks. Mit der so gestärkten Community stehen dem Team dann, so die Hoffnung, alternative Finanzierungsformen offen, zum Beispiel in Form eines jährlichen Crowdfundings.
(c) Alle Bilder Sebastian Preiß