Wie ein Startup die Arbeit von Fahrradkurieren sozialer gestaltet und mit einer Mitfahrzentrale für Dinge aller Art zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit beiträgt
Bequemer könnte es kaum sein. Beinahe alles lässt sich heutzutage mit einem einfachen Klick online bestellen und in Windeseile nach Hause liefern. Der Haken: besonders nachhaltig ist das nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn etwa eine nachhaltige Zahnbürste mit einem alten Dieselfahrzeug transportiert wird und der Fahrer dieses Gefährts mehr schlecht als recht bezahlt wird. Um das zu ändern, wurde TiMMi Tranport ins Leben gerufen. Entstanden ist damit ein Start-Up, das einerseits mit einer eigenen Online-Plattform deutschlandweit die Arbeit von Fahrradkurieren fair gestalten will und anderseits mehr Raum für Soziales und ein Beitrag zum Umweltschutz leisten soll. Dafür wurde außerdem eine Mitfahrzentrale für zu transportierende Dinge ins Leben gerufen. In Form einer Community-Plattform können mit dessen Hilfe Privatpersonen und ehrenamtliche Organisationen Lieferungen von A nach B transportieren lassen, indem sie von Menschen mitgenommen werden, die ohnehin auf der gefragten Strecke unterwegs sind. Das spart CO2 und bringt Menschen wieder näher zusammen. Wie es dazu kam und was hinter den Kulissen das Start-Ups passiert, hat uns die Gründerin des Start-Ups Christina Kleinau im relaio-Interview verraten.
Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Start-Up wie TiMMi Transport zu gründen?
Christina: Ich habe in Wirtschaftsethik promoviert. Dabei wurde immer wieder darüber gesprochen, dass nachhaltige Geschäftsideen dringende gesellschaftliche Probleme lösen sollen und somit die besseren Geschäfte sind. Aus Konsumentensicht hatte ich zudem beobachtet, dass es zwar nachhaltige Produkte gibt, sie meist aber nur online bestellbar sind. Da kommt eine Lieferkette zustande, in der schlecht bezahltes Personal in umweltschädlichen Fahrzeugen diese dann ausliefern – das ist total inkonsistent. Deswegen haben wir uns letztendlich dem Thema der nachhaltigen und fair bezahlten Lieferung angenommen. Gleichzeitig war Ende 2015 die Flüchtlingssituation sehr präsent. Viele Sachspenden waren nötig. Die gab es auch und man wusste, wo sie hinmüssen, jedoch gab es ein Transportproblem. Man wusste nicht, wie man die Spenden von einem zum anderen Ort bringen sollte. In diese Lücke sind wir gesprungen und haben gesagt: „Wir probieren es einfach aus!“ Indem wir mit einer Organisationsplattform online gehen und schauen wer sich da anmeldet, um etwas zu transportieren.
Also war Flüchtlingsversorgung euer Startschuss?
Christina: Ja, die Idee war schon da, aber das war letztlich der Initialzünder um es auszuprobieren. Das hat auch gut funktioniert. Wir haben tausende Kilogramm an Sachen durch die Stadt bewegt, innerhalb von einem Tag. Dafür musste alles ziemlich zügig im Hintergrund ablaufen. Wir sind dadurch schnell mit unserer Plattform online gegangen – innerhalb von zwei Wochen. Wir versuchen also schon Lean-Methoden umzusetzen, indem wir erstmal etwas entwickeln und den Leuten in die Hand geben, bevor wir versuchen es zu perfektionieren. Klar, zu Beginn war es schon sehr rudimentär, aber es hat ausgereicht – jemand kann einen Auftrag aufgeben und jemand kann darauf antworten: „Ja, das mach ich.“
Mittlerweile nutzen auch andere Menschen eure Plattform?
Christina: Meistens sind es Lieferungen für gemeinnützige Organisationen, generell auch Sachen die irgendwo vergessen wurden. Oder Dinge von kleineren, nachhaltigen Produzenten, die ihre Produkte über unsere Plattform versenden. Es gab auch mal ein Projekt für nachhaltige Särge, die mit Hilfe einer Mitfahrgelegenheit transportiert wurden, dann aber mit einem Auto. Für die Lieferoption „Mitfahrgelegenheit“ gibt es keine Bindung an Fährräder.
Als Lieferoptionen bietet ihr professionelle Kurierdienste und private Mitfahrgelegenheiten an: Warum eigentlich beides?
Christina: Professionelle Lieferoptionen mit einer Garantie, dass die Lieferung sicher und schnell ankommt, bilden einen großer Bestandteil der Nachfrage am Markt, den wir mit Mitfahrgelegenheiten allein nicht abdecken könnten. Am liebsten würden wir als Zentrale und Plattform für verschiedene Fahrrad-Kurierdienste gesehen werden. Das ganze aus dem Hintergrund, dass ein Unternehmen uns gefragt hatte, ob sie unsere Plattform für Mitfahrgelegenheiten nutzen können, um ihre Lieferungen ausfahren zu lassen – gegen Bezahlung. Das ist natürlich für professionelle Fahrradkuriere interessant. Und so sind wir immer mehr mit Kurieren ins Gespräch gekommen. Wir haben uns dann gedacht: „Ja klar, alles was umweltfreundlich ist, machen wir mit.“ So hat sich es entwickelt, dass wir die Software und ihre Funktionen weiterentwickelt und angepasst haben, damit sie auch für die Kurier-Profis gut funktioniert.
Wir stemmt ihr das alles finanziell?
Christina: Die Software selbst, die die tagtägliche Arbeit der Kuriere digital abbildet und vereinfacht, wird vergütet. Wenn wir den Kurieren neue Aufträge bringen, bekommen wir auch eine Provision. Wichtig zu wissen ist: diese Softwarelösung, für die Profi-Kuriere, ist nicht dieselbe wie die Community-Plattform für die Mitfahrgelegenheiten. In der öffentlichen Plattform nehmen wir keine Gebühren, verdienen also nichts daran. Ursprünglich hatten wir schon gedacht, auch da eine Provision einzuführen, aber die Option der Mitfahrgelegenheit wird größtenteils für gemeinnützige und ehrenamtliche Lieferungen genutzt, die eh kostenfrei sind. Hinzu kommt, dass die Abwicklung sehr kompliziert ist. Wir arbeiten schon Vollzeit, sind jedoch noch förderungsgestützt. Unsere größte Förderung war bisher ein Technologie-Gründerstipendium der Sächsischen Aufbau Bank. Zudem sind zwei kleinere Seed-Investoren dabei, die uns finanziell helfen. Es soll aber darauf hinauslaufen, mit professionellen Lieferoptionen den Lebensunterhalt zu verdienen und die gemeinnützige Säule der Mitfahrgelegenheiten zu tragen.
Einfach ist das bestimmt nicht immer: Was ist momentan eure größte Herausforderung?
Christina: Momentan gibt es ein großes Wachstum im Same-Day-Delivery-Bereich durch Online-Shops. Andere Kurier-Plattformen, die daran verdienen wollen, werden meist mit viel Wagniskapital unterstützt und drücken die Preise. So gibt es Angebote für fünf Euro pro Lieferung innerhalb von 90 Minuten. Die 25 Euro die es eigentlich kostet, wird den Kurieren mit Hilfe des Wagniskapitals zwar bezahlt, aber die Kunden bekommen davon nichts mit und denken: „Ach toll, nur fünf Euro“. Das Problem der Kuriere ist, dass sie somit diesen Unternehmen helfen in den Markt einzusteigen und gleichzeitig zum Preisdumping der eigenen Arbeit beitragen. Das ist für uns natürlich eine riesen Herausforderung, weil wir für faire Preise und Arbeitsbedingungen kämpfen wollen.
Welches Ziel habt ihr vor Augen, wenn ihr solchen Unternehmen die Stirn bietet wollt?
Christina: Ziel ist der Aufbau einer Community. Der Gedanke ist, dass die Person die deine Sachen liefert – egal ob über die Community Plattform oder über den Profibereich – weniger anonym ist und menschliche Interaktionen mehr im Vordergrund stehen.
Gerade bei Online-Shops ist die Lieferung die einzige menschliche Interaktion, die noch stattfindet
Es ist das Gefühl, dass wir damit transportieren wollen, dass alle füreinander wirtschaften. Allgemein war es nie der Wunsch ein Start-Up zu gründen, was nur zum Geldverdienen da ist, sondern auch gesellschaftliche Probleme löst. Der Anspruch ist das System nachhaltiger zu gestalten. Uns ist wichtig, wie man etwas macht und nicht nur was.
(c) Titelbild: Timmi Transport