Der Verein Mehr Demokratie e.V. plädiert für ein ausgebautes System der direkten Demokratie. Damit soll die partizipative politische Kultur gestärkt werden.
Kann die parlamentarische Demokratie noch die Komplexität und die Konflikte einer vielschichtigen, differenzierten Gesellschaft stemmen? Immer öfter werden zwischen den Tweets verschiedenster Konservativen Stimmen laut, die die Demokratie in einer Krise, mitunter sogar als dem Untergang geweiht sehen. Dabei empfinden sich viele Menschen nicht als repräsentiert oder als frei, obwohl sie in demokratischen Systemen leben.
Damit Demokratie weiter funktionieren kann, muss sie sich weiterentwickeln. Diesem Ziel hat sich der überparteiliche Verein Mehr Demokratie e.V. verschrieben, der sich kurz nach der deutschen Wiedervereinigung im Zuge der Diskussion um ein neues Grundgesetzes gegründet hat. Das Ziel ist die Verankerung von direktdemokratischen Elementen in Deutschland. Als Ausgangspunkt wurde Bayern gewählt, weil es dort schon seit Beginn der bayerischen Verfassung die Möglichkeit gibt, Volksentscheide auf Landesebene durchzuführen. Mehr dazu hat uns Simon Strohmenger vom Verein Mehr Demokratie e.V. erklärt.
Erzähl uns doch etwas über die Anfänge eurer Arbeit in Bayern.
Mehr Demokratie e.V. hat in seinen Anfängen in Bayern ein Volksbegehren gestartet für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene, was dann auch erfolgreich war – Bürger haben sich damit also mehr direktdemokratische Mitentscheidungsmöglichkeiten verschafft.
Bürgerbegehrensberatung ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Mehr Demokratie e.V. Die Gesetzeslage ist dahingehend nicht immer so einfach, es gibt einige Fallstricke. Es ist total schade, wenn sich Menschen für etwas einsetzen und das erste Mal politisch aktiv sind und dann an Formalien scheitern. Zum Beispiel ist es so, dass man die Bürgerbegehrensfrage immer nur positiv stellen darf, das heißt, man muss fragen: Sind Sie dafür, dass Sie dagegen sind? Das haben die meisten Initiativen nicht von Anfang an im Blick und deshalb gehen wir da in Beratung, schauen dass die Unterschriftenlisten richtig sind und Ähnliches. Es bleibt aber bei einer rein formalen Beratung. Die lassen wir eigentlich jedem zukommen, außer es sind irgendwelche rechtspopulistischen Anliegen, dann sind wir raus. Grundsätzlich aber wollen wir den Menschen mehr Selbstwirksamkeit geben. Demokratie heißt eigentlich, dass wir selbst mitgestalten können, sowohl auf staatlicher Ebene, als auch auf Landesebene und auch auf kommunaler Ebene. Damit können wir auch unseren Alltag mitgestalten – die Frage ist, was ist nicht politisch?
Ihr wollt also durch eure Arbeit Elemente einer direkten Demokratie stärken. Ist dies dann auch eine Kritik an der parlamentarischen Demokratie? Meinst du, dass sie einer Krise steckt?
Prinzipiell ist es auch ohne Krise notwendig, den Menschen so viele Mitgestaltungsmöglichkeiten wie möglich zu geben. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass direkte Demokratie glücklicher macht, einfach, weil man selber aktiv werden und mitgestalten kann. Wir wollen aber keine reine direkte Demokratie, sondern die wirklich wichtigen, weitgehenden Entscheidungen für die Bevölkerung öffnen. Trotz allem sehe ich die Politik momentan in der Krise. Das sieht man ja beispielsweise an den Erfolgen der AfD. Von daher glaube ich schon, dass es bei uns eine Krise der Demokratie gibt, einfach weil man schon seit 70 Jahren an den immer gleichen Mustern festhält. Aber die Gesellschaft entwickelt sich weiter, zunehmend auch digital, und da an dem immer Gleichen festzuhalten, ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Demokratie muss sich immer weiterentwickeln.
Welche Instrument gibt es, um Politikverdrossenheit entgegen zu wirken und zu fördern, dass also andere Menschen mitmachen?
Wir haben vor kurzem in Anlehnung an die „Citizen Assemblies“ in Irland einen Bürgerrat gestartet. Dort gab es zwei Volksbegehren: Einmal ging es um die Lockerung des sehr strikten irischen Abtreibungsgesetzes und dann noch um die Einführung der Homoehe. Das sind im erzkatholischen Irland natürlich Themen, bei denen die Angst da war, dass dies zu einer Spaltung der Gesellschaft führen könne. Um dem entgegenzuwirken, wurden geloste Bürgerräte eingeführt. Der Hintergedanke war, dass Menschen aus allen Schichten, die das betrifft, sich an einen Tisch setzen und diese Themen diskutieren. Das hat natürlich auch eine gewisse Transparenz gebracht, die Ergebnisse wurden immer wieder veröffentlicht. Es wurden zudem eine Art Empfehlung ausgesprochen und Experten dazu eingeladen.
Es ist wirklich interessant, was dabei rauskommt: Da gab es zum Beispiel eine Abtreibungsgegnerin, eine Befürworterin des alten Abtreibungsgesetzes, die zugab, dass sie sich nie wirklich damit auseinander gesetzt hatte. Nach katholischen Maßstäben war für sie alles klar. Dann saß sie aber das erste Mal mit einer Frau am Tisch, die selber abgetrieben hatte und ist in persönlichen Austausch und in ein wirklich tiefergehendes Gespräch mit ihr gekommen. Dementsprechend hat sie sich dann anders entschieden.
Ich glaube also, dass es gerade bei Politikverdrossenheit wichtig ist, neue Formen dessen einzuführen, Formen, die genau diesem persönlichen Austausch Rechnung tragen. Deshalb halte ich es auch für wichtig, Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie zu vermischen. Am Ende eines guten Bürgerbeteiligungsverfahrens ist es enorm wichtig, dass man auch wirklich eine wegweisende Abstimmung mit allen Beteiligten und Betroffenen zustande bringt. Anderenfalls verschwinden Bürgerbeteiligungsverfahren wieder in irgendeiner Schublade.
Was passiert eigentlich mit Verfahren, die zu einer Unterdrückung von Minderheiten führen, wie zum Beispiel das Minarett-Verbot in der Schweiz? Was kann man unternehmen, dass sowas nicht passiert?
Mit der direkten Demokratie ist es wie bei jedem anderen Herrschafts- oder Machtinstrument – es braucht ein funktionierendes Check and Balance System. Ich sehe bei uns in Deutschland gar nicht das Schweizer Modell – die haben beispielsweise kein Bundesverfassungsgericht. Wir haben mittlerweile fast in allen Bundesländern Elemente der direkten Demokratie. Das ist ein Design, das in drei Schritten funktioniert: Zuerst wird ein Zulassungsantrag gestellt. Dafür braucht es schon eine gewisse Anzahl von Unterschriften, in Bayern sind das beispielsweise 25.000, um ein öffentliches Interesse zu belegen. Sofern das klappt, geht ein Zulassungsantrag zum bayerischen Verfassungsgericht, das prüft, ob so ein Antrag mit der Verfassung und den Grundrechten vereinbar ist. Damit wäre beispielsweise ein Minarettverbot wegen der Religionsfreiheit schon mal raus.
Solche Kontrollinstanzen sind wichtig, und es ist auch wichtig, dass es eine gewisse Zeit dauert. Es gibt ja immer dieses Totschlaginstrument: „Was macht ihr, wenn hier eine Vergewaltigung stattfindet und am nächsten Tag wird die Todesstrafe gefordert, die geht doch sowieso durch“. Zum ersten ist es natürlich wichtig, dass man gewisse Zeiträume hat, in denen man diskutiert: Hier in Bayern ist das Quorum für den Zulassungsantrag relativ hoch, man braucht zehn Prozent der Wählerstimmen. Das führt dazu, dass es auch nochmal ein gewisser Zeitraum ist, bis man die Stimmen zusammen hat, und dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner ihre Argumente auf den Tisch legen müssen, warum unterschrieben werden soll. Wenn der Zulassungsantrag also vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert wurde, geht er an den Landtag, und der Landtag kann auch da nochmal einen Gegenvorschlag einbringen, über den noch zusätzlich abgestimmt werden kann, oder kann ihn annehmen. Dann erst kommt es zum Volksentscheid – das heißt, wir reden über einen Zeitraum von einem Jahr, den so ein ganzer Prozess einnimt. Da gehen viele Emotionen verloren, die am Anfang noch stärker vorhanden sind.
Welches Quorum würdet ihr vorschlagen – ein Quorum von zehn Prozent ist ja auch ein gewisser Schutzmechanismus?
Wir schlagen zwei bis drei Prozent in Bayern vor. Man braucht gewisse Gelder, um ein Anliegen populär zu machen, man braucht eine Marketingstrategie und viele weitere Ressourcen. Das funktioniert wirklich nur in einem großen Bündnis. Mit einem niedrigem Quorum wäre es also auch für kleinere Organisationen deutlich einfacher, etwas zu starten. Lange Zeiträume halte ich dagegen weiterhin für wichtig. Viele schnelle Entscheidungen, die im Parlament getroffen werden, sind auch nicht unbedingt gute Entscheidungen. Für weitreichende Entscheidungen braucht man weitreichende Diskussionen. In der Schweiz etwa gibt es ein Instrument, das wir in Deutschland auch fordern: das fakultative Referendum. Wenn ein Gesetz erlassen wurde, tritt es erst in 90 Tagen in Kraft. In diesen 90 Tagen hat die Bevölkerung Zeit, eine gewisse Anzahl an Stimmen zu sammeln um ein plebiszitäres Gesetz wieder abzuschaffen. Wenn es super dringend ist, kann ein solches Gesetz schon in Kraft treten, aber die Bevölkerung hat im Anschluss immer noch Zeit, darauf zu reagieren und es eventuell doch wieder abzuwenden. Es ist also nicht wichtig, möglichst schnell zu entscheiden, sondern möglichst gut zu entscheiden.
Findest du, dass solche Prozesse stärker öffentlich finanziert werden sollten?
Wir haben die Forderung, dass die Kosten von erfolgreichen Volksbegehren übernommen werden. Bisher ist das noch nicht der Fall. Allein bis zu einem Volksbegehren muss man mindestens 200.000 bis 250.000 Euro einplanen, wenn es bis zu einem Volksentscheid kommt, bis zu 500.000 Euro. Das sind einfach Summen, die für kleinere Organisationen schwierig zu tragen sind. Man braucht dafür eigentlich ein breites Bündnis.
Initiieren und organisieren Volksbegehren dann erfahrungsgemäß wirklich nur die Träger*innen, die monetär gut ausgestattet sind oder macht man sich auch etwa Crowdfunding zu Nutze?
Mit Crowdfunding hab ich persönlich noch keine Erfahrungen gemacht. In der Regel kommt der Anstoß von einer Partei oder einer Initiative und dann schließen sich meist weitere Organisationen an. Man darf auch nicht vergessen, wie wichtig dabei Parteien sind, die auch über Infrastrukturen im ländlichen Raum verfügen, die Plakatständer und ähnliche Mittel zur Verfügung haben. Wenn man das auch noch alles zahlen müsste, wäre es ja nochmal teurer.
Wenn Bürger*innen selbst für Plebiszite aufkommen müssten, wäre Demokratie ja reine Privatsache?
Es gibt da unterschiedliche Fälle. Es kommt immer darauf an, wer die Volksbegehren startet. Wir versuchen das mit digitalen Mitteln zu stärken. Momentan unterstützen wir „Consul“, ein digitales Beteiligungsprogramm, das für Städte entwickelt wurde. Damit kann man über eine digitale Plattform Debatten in der Stadt anstoßen, Vorschläge einbringen und über diese abstimmen. So wird ermöglicht, dass der Einzelne auch abseits von Bündnissen und großen Organisationen Ideen einbringen kann. Das hat sich bewährt: 2015 wurde es in Madrid erstmals implementiert. In Madrid sind 0,5 Millionen Menschen angemeldet, über 130 Städte nutzen es weltweit schon, einzelne Länder wie Kolumbien oder Urugay nutzen es sogar auf Länderebene. Da tut sich schon was.
Gibt es dabei auch Ansätze, wie man weniger beteiligte Gesellschaftsgruppen stärker in Beteiligungsprozesse einbeziehen könnte?
Wir sind gerade dabei, die Stadt München auch von Consul zu überzeugen und das digitale Tool dort einzusetzen. Über solche Plattformen ist die Möglichkeit größer, auch diese Menschen zu erreichen. Ich kann mich aber nicht darauf verlassen, dass sie dann die Plattform sofort für sich entdecken. Ich muss dann tatsächlich zu den Flüchtlingsheimen oder anderen Stellen selbst hingehen. Die Kombination dieser beiden Teile ist wichtig, man muss das auch aktiv betreiben.
In einem Podcast sagte der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, dass die plebiszitäre Form der Demokratie eine Verfallsform der Demokratie darstellt. Die Gefahr ist, dass man verspricht, dem ungehörten Volk endlich Gehör zu verschaffen, aber in Wahrheit nur das eigene, autoritäre Handeln legitimiert. Ist das eine Gefahr, die man auch nicht aus dem Weg räumen kann?
Ich würde diese Aussage unterstützen, aber nur in Bezug auf Plebiszite. Die sind Volksbefragungen von oben, direkte Demokratie kommt aber von unten. Plebiszite gibt es seit Jahrhunderten und sie werden immer wieder dafür genutzt, die Bevölkerung zu befragen und so einen Anschein von Demokratie zu entwickeln, der aber gar keine echte Demokratie abbildet. Das hat man zum Beispiel auch in der Türkei gesehen: Wenn es keine freie Presse gibt, wenn es ein autoritäres Regime gibt, das die Systemkritiker mundtot macht, gibt es natürlich auch keine funktionierende Demokratie. Eigentlich muss so was von unten kommen, das muss aus der Bevölkerung kommen. Denn als politischer Repräsentant hat man sowieso die Möglichkeit, Politik zu machen, durch eigene Entscheidungen, durch eigene Mehrheiten und Koalitionen. Direkte Demokratie und Volksentscheide sind Instrumente, die der Bevölkerung zustehen sollten.
Man will ja auch bei Verfahren, die mit Bürgerbeteiligungen in Gang gebracht wurden, viele Stimmen gewinnen. Da sind einfache Slogans sehr verlockend. Wie kann man dafür sorgen, dass Wahlentscheidungen tatsächlich informierte Entscheidungen sind?
Es ist ein Unterschied, ob es einfache Slogans sind oder eine einfache Sprache ist, mit der Entscheidungen erklärt werden. Ich glaube schon, dass die künstliche Komplexität, die oft geschaffen wird, das Elitendenken fördert. Wenn Christian Lindner zu Fridays For Future-Aktivist*innen sagt,sie sollen doch lieber die Experten da ran lassen, diese seien ja eh noch viel zu jung und kennen sich damit nicht aus, verfestigt das ja Hierarchien. Diejenigen aber, die in den Parlamenten sitzen, sind oft gar nicht die Experten zu bestimmten Themen, die haben selbst Experten, die für ein Fachgebiet zuständig sind, und ansonsten werden sie natürlich auch beraten von Lobbyvereinen. In der Regel sind das dann leider nicht die diejenigen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, sondern eher diejenigen, die sich für Profit einsetzen. Von daher ist es eine einseitige Beeinflussung und Expertise, die da stattfindet.
Zum anderen ist es natürlich möglich, Probleme und Herausforderungen in einer einfachen Sprache darzulegen. Die Abstimmungshefte in der Schweiz etwa sind so aufgebaut, dass man immer tiefer in die Materie einsteigen kann. Da gibt’s Stellungsnahmen von Experten, von solchen, die dafür und die dagegen sind. Man traut den Menschen da zu wenig zu. Auch in repräsentativen Systemen hat man jemand in der eigenen Partei, dem man vertraut. Man braucht auch nicht bei jedem Volksentscheid eine Beteiligung von 70 bis 100 Prozent. Es gibt Themen, die mich vielleicht auch nicht betreffen, und es ist in Ordnung, dann auch nicht abzustimmen. Es müssen die Menschen abstimmen, für die diese Themen auch wichtig sind. Man muss sich auch nicht in jedem Thema 100 Prozent auskennen, ich hab Vertrauenspersonen und das ist in Ordnung. Vielleicht arbeitet einer meiner guten Freunde beim Bund Naturschutz, dann lass ich mich von dem auch mal beraten und mir was erklären.
Die Schweizer haben die Möglichkeit, abzustimmen, ja schon sehr lange. Daher haben die mittlerweile alle Abstimmungen ausgewertet. Dabei hat man herausgefunden, dass man sich am ehesten durch den Freundeskreis beeinflussen lässt. Natürlich gibt es Langzeitbeeinflussungen durch Medien und Parteien, aber was überall stattfindet, sind Gespräche an Stammtischen, in U-Bahnen, in Parks und so weiter. Man redet über Politik. Man kann selber abstimmen, man hat eine andere Wissensgrundlage und man traut sich auch, anders über Sachen zu sprechen. Natürlich kommt da eine andere Atmosphäre in das Land. Man spricht über politische Probleme und das ist ja etwas, das wir hier nicht haben, es wird viel zu wenig über elementare politische Probleme gesprochen und auch gestritten. Wie oft spricht man denn wirklich über solche Sachen im eigenen Bekanntenkreis? Wie oft sind das Diskurse, die eher oberflächlich bleiben? Direkte Demokratie kann ein Instrument sein, um mehr miteinander zu sprechen und um mehr zuzuhören.
Hängt der Erfolg von Entscheidungen also von guten Menschen ab oder braucht es ein gutes System?
Ich glaub es ist ein Zusammenspiel von beidem. Es ist doch erwiesen, dass direkte Demokratie die größte und beste politische Schule ist, die es gibt, weil man, wenn man selbst abstimmen kann, informiert an die Sache rangeht. Beispielsweise wurde die EU-Verfassung in Frankreich abgelehnt. Danach gab es Umfragen in verschiedenen EU-Ländern, unter anderem in Deutschland und Frankreich, wer eigentlich wusste, was in dem Vertrag drin steht. In Deutschland wusste das kaum jemand, in Frankreich war man da schon deutlich besser informiert. Direkte Demokratie ist also politische Bildung.
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Mehr InformationenIst die direkte Demokratie damit auch eine notwendige Antwort beschleunigte gesellschaftliche Veränderung, etwa durch die Digitalisierung?
Ich würde sie als Weiterentwicklung bezeichnen und glaube, dass sie notwendig ist. Wir als Menschen wollen uns ja weiterentwickeln. Wir haben in unserem Alltag auch nicht mehr Hierarchien wie in den 50er oder 60er Jahren, warum sollte es die dann in der Politik noch geben? Warum sollten wir dann nicht mehr mitentscheiden können? Ich glaube auch, dass es gerade jetzt mit den digitalen Möglichkeiten eine Entwicklung ist, die kommen muss und wird. Vor kurzem war ich Sachsen unterwegs und hab verschiedenen Leuten unser Bürgerbeteiligungsprojekt CONSUL vorgestellt. Einer der Bürgermeister meinte: „Genau das brauchen wir, wir haben 30 Prozent AfD Wähler und es kursieren so viele Fake News!“ Wir bräuchten also solche Plattformen mit einer wirklich guten Diskussions- und Debattenkultur. Dort muss man sich registrieren, um auch abstimmen zu können. Diskutieren muss man natürlich nicht mit Klarnamen, aber die Stadt könnte beispielsweise überprüfen, wer da diskutiert. Das wäre aber selbstverständlich bei Abstimmungen nicht überprüfbar. Die Stadt könnte über die Plattform Dokumente wie Kostengutachten oder Aktionspläne mit reinstellen. Mit Transparenz könnte man die ganzen Lügengeschichten, die da außenrum kursieren, wunderbar entkräften.
Kann man direkte Demokratie damit auch als Widerstand verstehen?
Ich würde sagen als Selbstermächtigung. Es geht darum, seine eigenen Interessen wieder mehr durchzusetzen. Es gibt ja schon das Gefühl, dass man von den politischen Eliten im Stich gelassen wurde und dieses Gefühl ist ja auch nicht zu Unrecht da. Es ist mehr als nur ein Gefühl, es ist eine sinnvolle Entwicklung, wenn es sich mehr zu direkter Teilnahme entwickeln würde. Wenn das natürlich nicht passiert, hat man Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert. Dass man sich zurückzieht, denkt, die da oben machen eh was sie wollen und man hat eh keine Chance. Das ist fatal für eine Demokratie, das sieht man auch daran, dass Entscheidungen, die dann gefällt werden, nicht für uns Menschen gut sind, sondern nur für eine kleine Elite.
Beitragsbild: (c) Christoph Eipert