Kostenlos mit Bus, Tram oder U-Bahn fahren, so weit die Gleise tragen – wer hat davon noch nicht geträumt und wurde dann durch ein freundliches „Fahrscheine, bitte“ aus der Illusion entrissen? Hannover hat an diesem Wochenende für einen Tag Träume wahr werden lassen und am Samstag, den 30. November komplett kostenfreies Fahren mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln angeboten. Der „Gratis-fahrn-Tag“ sollte allen Interessierten einen entspannten Tag in Hannover bescheren und dazu motivieren, öfter mal in den Bus statt ins Auto einzusteigen.
Tatsächlich wurde das Angebot intensiv genutzt und viele Autofahrer*innen ließen ihre PKWs stehen. Damit wurden 60 Prozent mehr Fahrgäste als an einem Durchschnittstag gezählt. Der Großversuch wurde wissenschaftlich begleitet und soll nächstes Jahr mit Folgeaktionen fortgeführt werden.
Allerdings waren nicht jeder durchwegs begeistert vom „Gratis-Fahr’n-Tag“ in Hannover: Der Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Thorsten Bullerdiek, bemängelte, dass den Menschen eine einfache Umsetzbarkeit von kostenfreiem Nahverkehr vorgegaukelt werde. Die Frage nach Finanzierungsmöglichkeiten eines kostenfreien Nahverkehrssystems sei nicht zu umgehen. Denkbar wäre eine Art „Klimaumlage“. Am Beispiel von Hannover wurde das in der Sendung „Hallo Niedersachsen“ durchgerechnet: Insgesamt leben hier 1,2 Millionen Menschen. Senior*innen, Schüler*innen, Student*innen, Arbeitslose und Kleinkinder könnten weiterhin von vergünstigten Tickets profitieren. Diese abgezogen, blieben 660.000 Menschen, die ins System einzahlen müssten – zum Beispiel mit einem Euro pro Tag. Zum Vergleich: Ein Tagesticket kostet derzeit etwa sechs Euro. Die Idee wäre also ein solidarisches Konzept, das ticketfrei und nicht kostenlos funktionieren würde.
Dafür wäre allerdings ein grundlegender Ausbau des ÖPNV notwendig: Allein für den Busverkehr wurden an dem Tag 50 Personen mehr eingesetzt als an einem regulären Samstag. Außerdem müssten mehr Haltestellen und Verbindungen geschaffen werden, um als tatsächliche Alternative zum Individualverkehr attraktiv zu wirken. Auch kleinere Anreize wie kostenlose Möglichkeiten zur Gepäckaufbewahrung, attraktivere Wartemöglichkeiten auf die nächste Bahn und weitere Anreize zum Radfahren wären denkbar.
Hannover war bundesweit nicht die einzige Stadt, die an diesem Samstag kostenlosen Nahverkehr anbot: Auch im nordrhein-westfälischen Münster und in Karlsruhe in Baden-Württemberg waren Busse und Stadtbahnen in der Stadt gratis. Dort soll das Angebot sogar an allen vier Adventssamstagen innerhalb des Stadtgebietes gelten. Eine Verkehrswende und tatsächlich machbare Visionen dafür scheinen aktuell dringlicher denn je.