Das junge Berliner Social Start-Up will mit dessen Rettermärkten bald deutschlandweit durchstarten. Dafür wurde jetzt eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen.
Shit! Schon so spät? Egal, einfach noch schnell mit hungrigem Magen durch die Reihen des nächstbesten Supermarkts eilen und mit vollen Taschen doch noch die kulinarischen Pläne des wohlverdienten Feierabends retten. Geschafft! Hm, nicht ganz, jedenfalls nicht wenn es um die nachhaltige Verwendung der erkauften Beute geht. Denn kaum ein deutscher Privathaushalt schafft es all dessen erstandenen Lebensmittel auch restlos zu verbrauchen. So kann laut einer repräsentativen Studie von GfK und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nur rund jeder sechste Haushalt unnötige Lebensmittelabfälle vermeiden. Auf der anderen Seite steht eine Durchschnittswert von rund 55 Kilogramm Lebensmittelabfälle pro Kopf – und das Jahr für Jahr.
Solche Zahlen lassen sich nicht schönreden, dass dachten sich auch Raphael Fellmer und Martin Schott als sie 2017 in Berlin das Start-Up SIRPLUS ins Leben gerufen haben. Die Idee dahinter geht so: Abgelaufene oder für den Handel uninteressante Lebensmittel, die von Tafeln und anderen sozialen Initiativen nicht gerettet werden können, aber keineswegs verdorben oder sonst irgendwie minderwertig sind, werden von Großhändlern, Produzenten und Landwirten abgenommen und in einem der drei Berliner SIRPLUS-Rettermärkten oder bundesweit im SIRPLUS-Onlineshop verkauft. Die Idee kommt gut an. So gut, dass das junge Team bereits den vierten Rettermarkt in Berlin eröffnen konnte.
Jetzt soll es aber nicht nur mit Online-Shop eine bundesweite Möglichkeit geben, gerettete Lebensmittel an Frau und Mann zu bringen, sondern sollen in Zukunft auch die stationären Märkte über die Grenzen Berlins hinaus eine Alternative zur Lebensmittelverschwendung bieten. Um das zu erreichen wurde ein Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen. Knapp 60.000 Euro konnten bereits für die Entwicklung eines Franchise-Konzepts gesammelt werden. Noch knapp mehr als eine Woche läuft die Kampagne und wir haben mit Raphael gesprochen, was es damit genau auf sich hat.
Hi Raphael! Wie bist du eigentlich dazu gekommen SIRPLUS ins Leben zu rufen?
Raphael: Schon seit 2009 setze ich mich persönlich gegen Lebensmittelverschwendung ein. Ich hab dann auch etwa fünf Jahre im Geldstreik gelebt und in dieser Zeit die Foodsharing-Bewegung ins Rollen gebracht. Letztlich haben dann Martin Schott, Co-Gründer von SIRPLUS, und ich uns vor zwei Jahren überlegt, wie man das Lebensmittelretten in der Gesellschaft salonfähiger machen kann und das so, dass die Leute gern und einfach mitmachen können. Das wir es also mit unseren Rettermärkten und Online-Shop ermöglichen können, dass die alle mitmachen wollen, dass sie stolz sind mitretten zu können und so das Bewusstsein gegen Lebensmittelverschwendung in der Gesellschaft erhöhen.
Welche Produkte stehen bei euch in den Regalen?
Grundsätzlich erstmal alles, was die Tafeln nicht abholen. Dabei retten wir all das, was natürlich noch genießbar ist, aber für viele Unternehmen nicht mehr interessant ist zu verkaufen. Dabei retten wir die volle Bandbreite: Molkereiprodukte, Getränke, Fleisch bis hin zu Konserven und natürlich Obst, Gemüse sowie Backwaren. Mittlerweile sind es jedenfalls schon mehr als 600 Produkte.
Ihr habt vor kurzem eine neue Crowdfunding-Kampagne gestartet: Was wollt ihr damit erreichen?
Seit Gründung 2017 haben wir richtig Gas gegeben und mittlerweile in Berlin mehrere Rettermärkte eröffnet. Außerdem haben wir seitdem tausendende Anfragen bekommen, indem die Leute wissen wollen, ob SIRPLUS auch in ihre Stadt kommt oder ob sie selbst einen SIRPLUS-Rettermarkt eröffnen können. Wir haben uns dann gedacht: Ok, Lebensmittelretten scheint überall ein elementares Thema zu sein! Das freut uns natürlich und genau deswegen haben wir eine neue Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen, um gemeinsam mit den Leuten SIRPLUS groß werden zu lassen.
Habt ihr bereits ein Konzept wie das am besten funktionieren kann?
Konkret wollen wir es den Menschen ermöglichen mit SIRPLUS auch in ihrer Stadt durchzustarten und das am einfachsten mit einem Franchise-Konzept. Dafür gibt es auch schon ein Grundkonzept, aber vor allem mit den Mitteln aus der Crowdfunding-Kampagne wollen wir ein umfangreiches und genaues Konzept ausarbeiten, indem wir einen Profi engagieren können, der oder die sich mit der Entwicklung solcher Konzepte auskennt und das ganze zum Laufen bringen kann. Letztlich wollen wir, dass neue Märkte selbstständig agieren können und wir unser bereits vorhandenes Know-how dazu beisteuern können – wie ein ganz klassisches Franchise-Konzept also.
Was meinst du: Findest du eure Pläne treffen den Nerv der Zeit? Wo siehst du Handlungsbedarf?
Ja voll! Ich glaube, dass die Themen Lebensmittelverschwendung und Lebensmittelrettung immer stärker in den gesellschaftlichen Fokus rücken und das auch müssen! Denn nur öfters darüber zu berichten reicht noch lange nicht aus um die Dinge wirklich zu ändern. Ich glaube vor allem in Sachen Bildung muss noch mehr passieren. Das heißt auch, dass solche wichtigen Themen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch stärker vermittelt werden.
Ist das der Grund, warum Leute eure Projekt unterstützen sollten?
Genau, aber es wird jetzt einfach auch Zeit, dass wir Lebensmittelretten zum Mainstream machen und wir natürlich dafür überall an den Start gehen wollen.
Hier geht’s zur Crowdfunding-Kampagne.
(c) Titelbild: Maja Seidel