Gehwegerweiterungen für mehr öffentlichen Raum in den Städten.
Wem gehört der öffentliche Raum? Eine spannende Frage, doch muss sich eher gefragt werden, wo denn dieser öffentliche Raum zu finden ist, über dessen Nutzung man noch diskutieren kann. Der öffentliche Raum umfasst alle Flächen, die einer Gemeinde oder einer öffentlichen Einrichtung gehören und frei zugänglich sind – in der Praxis sind das meist Parkanlagen, Plätze, Wege für Fußgänger*Innen und Radfahrende sowie die Flächen für den Kraftfahrzeugverkehr. Und hier herrscht eine strikte Aufgabenverteilung vor: Parks sind zum Verweilen, Fußgängerwege zum Gehen und Straßen zum Fahren da. Klingt erstmal logisch, aber es gibt durchaus Gründe diese vorbestimmte Nutzung des öffentlichen Raumes nicht als gegeben hinzunehmen. So erfolgt die strikte Trennung zwischen Entspannung und Bewegung und zwischen den verschiedenen Fortbewegungsarten nicht gerecht: Der Straßenverkehr nimmt pro transportierter Person eine viel größere Fläche ein als alle anderen Verkehrsmittel. Er nimmt überproportional viel des öffentlichen Raums ein und lässt so wenig Freiräume auf den übrigen Flächen. Diese spezialisierte und einseitige Nutzung schafft es damit nicht, für eine vielfältige und lebendige Atmosphäre und eine soziale Durchmischung zu sorgen, was aber eine zentrale Funktion des öffentlichen Raumes wäre.
Dabei werden immer wieder Versuche unternommen, diese Funktionstrennung aufzubrechen, um den öffentlichen Raum aufzuwerten und Städte so gerechterer und lebendiger zu gestalten. Ein häufiger Kritikpunkt ist dabei der sogenannte ruhende Verkehr – parkende Autos. Im Schnitt werden PKWs in Deutschland nur 45 Minuten am Tag genutzt. Die restlichen 23 Stunden stehen sie meist auf öffentlichem Raum und blockieren so knappe Flächen, die auch anders genutzt werden könnten. Steigende Einwohnerzahlen und Siedlungsdichten erfordern weitere Aufenthaltsmöglichkeiten in den Städten und zunehmende Temperaturen, die in den Städten für Hitzewellen sorgen, erfordern ausgleichende Grünflächen.
Eine mögliche Antwort auf diese Erfordernisse: Ein Parklet. Das ist eine (grüne) Erweiterung des öffentlichen Gehwegs, welche anstelle von Parkplatzflächen mehr Raum für alle Menschen schafft. Es bietet zum Beispiel Sitzflächen, Bäume, Blumen, Sträucher, Witterungsschutz, Beleuchtung oder Fahrrad-Abstellmöglichkeiten. Durch den Verzicht eines festen Fundaments kann es schnell und kostengünstig nachbarschaftliche Gemeinschaft fördern, wo sonst schmale Gehwege ein Verweilen unmöglich machen. Durch die gemeinschaftliche Nutzung kann das Parklet ein Treffpunkt für Anwohner werden und so den Nachbarschaftscharakter des Viertels stärken.
Die ersten Parklets wurden Anfang der 2000er Jahre in San Francisco aufgestellt, damals noch als ungesetzliche Versuche, öffentlichen Raum zurückzuerobern. Mittlerweile wurde das Konzept in der Stadtplanung aufgegriffen und immer mehr Städte versuchen sich in der (temporären) Umnutzung von Parkplätzen. Die erste deutsche Stadt, die Parklets aufgestellt hat, ist Stuttgart. Hier wurde im Sommer 2016 in Zusammenarbeit zwischen der Universität und der Stadt Stuttgart das Projekt “Parklets für Stuttgart” als Realexperiment durchgeführt. Dabei ist auch die Anleitung How to Parklet enstanden, in der Hinweise für die Umsetzung in anderen Städte und Projekten gegeben werden. Auch in München wird die temporäre Umnutzung von Parkplätzen im Sommer erprobt. Im Auftrag des Baureferats der Landeshauptstadt München realisiert Green City e.V. gemeinsam mit Anwohner*Innen die Umgestaltung von insgesamt acht Parkbuchten im Westend. Sollten diese den neuen öffentlichen Raum gut annehmen, könnten in Zukunft mehr Parklets genehmigt werden.
Wie die Bevölkerung die Parklets dann aber nutzt, ist ihr weitestgehend selbst überlassen. Und damit sind Konflikte um die Nutzung des öffentlichen Raumes nicht auszuschließen: In der Bergmannstraße in Berlin wird darüber diskutiert, ein Pilotprojekt mit Parklets vorzeitig abzubrechen, da sich die Anwohner*Innen durch nächtliche Trinkgelage und zurückgelassenen Müll auf den Gehwegerweiterungen gestört fühlen. Parklets deswegen aber nur mit Alkoholexzessen und nächtlicher Ruhestörung in Verbindung zu bringen, greift zu kurz: Durch die Neuerschließung von mehr öffentlichem Raum muss vielmehr die Frage gestellt werden, wie dieser genutzt werden soll, um Städte lebenswerter zu machen
(c) Alle Bilder: Sebastian Preiß