Plastikmüll führt ohne Zweifel zu globalen Umweltschäden. Wer sinnvoll etwas dagegen unternehmen will, sollte mehr betreiben als reine Symbolpolitik.
Mit Plastik ist das so eine Sache. So bestechend die Vorteile von diesem Netz aus Polymeren auch sind, genauso verpönt ist mittlerweile dessen Verwendung geworden. Aber der Reihe nach: Zunächst einmal scheinen die positiven Eigenschaften von Kunststoffen zu bestechen. So sind sie sich für kaum eine Form zu schade und der Energieverbrauch während ihrer Herstellung ist nicht selten weniger hoch als so manche, vermeintlich nachhaltigere Alternative. Verkörpert werden diese scheinbaren Vorteile nicht selten etwa von der allbekannten Plastiktüte.
Aber ihre niedrigen Herstellungskosten, ihre leichte Verarbeitungsweise und ihre relative Langlebigkeit macht sie gleichzeitig zu einem Problem. Denn die Plastiktüte scheint fast schon ein bisschen zu beständig zu sein. Denn so ein Trageutensil braucht Jahrzehnte, bis es sich zu zersetzen beginnt und nicht selten landet es dort, wo es nicht hingehört: in der Natur. So wurde bereits 2010 in einer Studie der University of Georgia geschätzt, dass jährlich circa 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen an Kunststoffen in die Weltmeere gelangen und diese sich, im Falle eines weiterhin nachlässigen Umgangs mit Abfällen, bis 2025 auf insgesamt rund 250 Millionen Tonnen anhäufen werden. Die Studie besagt aber auch, dass sich dieser monströse und schwimmende Müllteppich um viele Millionen Tonnen reduzieren lässt.
So ließe sich die Größe dieses Müllbergs um 41 Prozent reduzieren, wenn die Top-20 der Länder mit dem größten Anteil ins Meer fehlgeleiteter Kunststoffe diese um 50 Prozent senken würden. Aber was hat das nun alles mit der Plastiktüte zu tun? Eine ganze Menge! Denn die wichtigste Erkenntnis der Studie besteht wohl darin, dass Plastik keineswegs ein nebensächliches Problem der Weltgemeinschaft ist, aber auch darin, dass in Plastikmüll ein Problem besteht, das sich eindämmen lässt, indem man nachhaltige Strategien zur Müllverwertung, samt passender Infrastruktur etabliert und noch viel besser: gar nicht mehr derart viel davon hinterlässt.
Ein guter Trend
Gerade bei Letzteren will die Bundesregierung nun etwas unternehmen und hat dafür einen neuen Gesetzesentwurf für weniger Plastikmüll und mehr Umweltschutz auf den Weg gebracht. Genauer sieht der Gesetzesentwurf vor, ein „Verbot des Inverkehrbringens von leichten Kunststofftaschen“ durchzusetzen, die vor allem „dafür konzipiert und bestimmt sind, in der Verkaufsstelle gefüllt zu werden“. Gemeint sind damit Plastiktüten mit einer Wandstärke von weniger als 50 Mikrometern, die meist nur einfach genutzt werden und nicht allzu selten nach dem Einkauf, zusammen mit dem anderen Verpackungsabfall, direkt in der Mülltonne landen. Immerhin benutzt laut Bundesumweltministerium jede*r Deutsche*r noch rund 20 solcher Tüten pro Jahr, was laut der Bundesumweltministerin Svenja Schulze eine jährliche Gesamtsumme von 1,6 Milliarden Plastiktüten ausmacht. Plastiktüten sind, laut Schulze, deshalb „der Inbegriff der Ressourcenverschwendung“ deren Aufkommen sie nun mit einem Verbot auf Null runterfahren will.
Das klingt ziemlich gut. Genauso gut wie der sich abzeichnende Trend eines geringeren Verbrauchs von Plastiktüten pro Kopf und Jahr. Waren es 2015 noch etwa 68 Stück, belief sich dieser 2018 nur noch auf 24 Stück – ein Rückgang von knapp 65 Prozent. Diese Rückläufigkeit ist vermutlich das Ergebnis der „Vereinbarung zur Verringerung des Verbrauchs von Kunststofftragetaschen“ zwischen Umweltministerium und dem Handelsverband Deutschland, die 2016 initiiert wurde und nun mit einem gesetzlichen Verbot weiter vorangebracht werden soll. Vereinbart wurde dabei etwa, dass Plastiktüten nicht mehr kostenlos über die Ladentheke gehen dürfen.
Umweltschutz ist keine Frage der Relevanz
Aber reicht das, was gut klingt, auch wirklich aus, um die Probleme mit dem Plastikmüll nachhaltig zu bekämpfen? Anders gefragt: Kann ein Verbot von Plastiktüten überhaupt etwas bewirken, um die schwimmenden Müllberge in den Weltmeeren zu reduzieren? Manche sind der Meinung, man müsse sich diese Frage erst gar nicht stellen. So ist der AfD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Umweltausschuss, Andreas Bleck der Meinung: „Plastikabfälle, die eingesammelt und verwertet werden, stellen kaum oder keine Probleme für die Meere dar“. Dass der ganze Plastikmüll überhaupt ein Problem für die Weltmeere sei, liege „vornehmlich an afrikanischen und asiatischen Staaten, die weltweit zu den größten Verursachern gehören.“ Letztendlich hätte eine „fehlende Sensibilisierung der dortigen Bevölkerungen für die Umwelt“, dazu geführt, das Müll unachtsam in die dortigen Flüsse geworfen werde, somit in die Meere gelange und letztlich zu einem globalen und deshalb auch zu einem Problem hierzulande werden würde.
Solche Behauptungen wollen nur allzu gerne die Verantwortung für die Zerstörung der eigenen Umwelt an das andere Ende der Welt schieben. Ihnen liegt der Denkfehler zu Grunde, dass man selbst keine Schuld an der Misere hat. Denn vergessen wird dabei, dass der Plastikmüll in Asien laut dem Plastikatlas 2019, der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zu großen Teilen hierzulande verursacht wurde. So ist laut Studie Deutschland der drittgrößte Exporteur von Plastikmüll nach Asien – direkt hinter den USA und Japan. Genau genommen, verbrachte Deutschland allein 2018 etwa eine Millionen Tonnen Plastikabfälle ins Ausland. Hierzulande könnte das Bewusstsein im Umgang mit Plastikmüll demzufolge auch besser sein. Letztlich fielen laut Eurostat in Deutschland allein im Jahr 2017 pro Person etwa 38,36 Kilogramm Verpackungsmüll an. Insgesamt lag im gleichen Jahr die Summe aller Kunststoffabfälle, die in Deutschland nach Gebrauch im gewerblichen und haushaltsnahe Bereichen anfielen, bei rund 5,2 Millionen Tonnen. Laut dem Plastikatlas 2019 wurden davon gerade einmal 810.000 Tonnen wiederverwertet, was lediglich einem Anteil von 15,6 Prozent des genannten Gesamtmüllaufkommens ausmacht. Der Großteil weiterer Kunststoffabfälle wurde verbrannt – ganze 3,15 Millionen Tonnen.
Das Bewusstsein ist entscheidend
Ob ein Verbot der Plastiktüte solche Summen reduzieren kann scheint zunächst fraglich zu sein. So verweist das Bundesumweltamt auf die Zahlen einer weiteren Studie, nach denen der Plastiktütenanteil am Gesamtvolumen des jährlichen Kunststoffmülls nicht einmal ein Prozent ausmacht. Selbst wenn nur der Kunststoffmüll aus Folienprodukten betrachtet wird, ist der Anteil an Plastiktüten, genauer genommen an Polyethylen (PE) – das für die Herstellung von Plastiktüten oftmals Verwendung findet – kaum höher als sechs Prozent. Erschwerend kommt hinzu, dass sich das gesetzliche Verbot der Tragetaschen nur auf solche mit einer Folienstärke von 15 bis 50 Mikrometern bezieht. Im Klartext heißt das: Die deutlich dünneren Obst- und Gemüsetüten sowie die deutlichen dickeren Mehrwegtaschen, dürfen auch weiterhin in den Verkehr gebracht werden. Wenn man diese verbieten würde, so Umweltministerin Schulze, dann würden etwa „Birnen wieder in kleineren Gebinden verpackt werden“ und das „würde zu mehr Verpackungsabfall führen.“ Auch bei den dickeren Kunststoffmehrwegtüten, sieht man keine Notwendigkeit zum Verbot, denn „die Zukunft ist eindeutig Mehrweg“, so Schulze. Nicht zuletzt weil recycelte Kunststoffe so nicht im Müll landen, sondern einer sinnvollen Wiederverwendung zugeführt werden.
Das mag zwar plausibel erscheinen, dennoch schafft es der Gesetzesentwurf aber kaum über das Wesen von Symbolpolitik hinaus. Denn ist ein Verbot zwar gut gemeint, bleibt es inkonsequent. Nicht nur weil Deutschland trotz dessen auch weiterhin einen Spitzenplatz in der Plastikmüllerzeugung einnimmt, sondern auch, da die beworbenen Alternativen oftmals gar keine sind. So muss die nun vielerorts angebotene Papiertüte im Vergleich zu einer einmaligen Nutzung der bald verbotenen Plastiktüte vier Mal so häufig verwendet werden, damit sie eine bessere Ökobilanz als diese besitzt.
Das schafft sie aber aufgrund ihrer mangelnden Strapazierfähigkeit meist gar nicht.Das spricht jedoch keineswegs für die Plastiktüte, sondern für einen anderen Umgang mit vorhanden Ressourcen und somit für ein stärkeres Umweltbewusstsein. Eines bei dem, soweit wie es geht, auf Kunststoffe aller Art verzichtet wird und vielleicht wieder eine Stofftüte zum täglichen Einkauf ganz selbstverständlich dazu gehört. Ganz sicher aber wird es dem Meer gut tun. So gibt es zwar keine genauen Zahlen darüber, wieviel Plastiktüten tatsächlich in die Weltmeere gelangen, jedoch ergeben wissenschaftliche Beobachtungen, dass Kunststoffe den größten Anteil des an Küsten angeschwemmten Mülls ausmachen – nicht zuletzt aufgrund der dabei gefundenen Tragetaschen. Zeit also, Abschied zu nehmen.